Die Zeit rennt - und wir mit ihr. In einem Jahr sollten wir mit Bushbaby für unbestimmte Zeit unterwegs sein und die Vorbereitungen laufen heiss: die riesige Terrasse wurde von Manfred auf Vordermann gebracht und alles sieht so aus, dass man die Wohnung den Maklern zeigen und den Verkaufsprozess aufgleisen kann, damit die Wohnung per 31. März 23 neue Eigentümer findet. Und wir die Mittel auf dem Konto haben, um unseren nächsten sowie den letzten Lebensabschnitt sorglos zu gestalten.
Bushbaby hat den Winter in seinem Unterstand beim Bauern gut überstanden und steht wieder mit seinen Kennzeichen (diese geben wir jeweils während längeren Standzeiten zurück und sparen so die Versicherungskosten) für die nächste Fahrt bereit. Auch der Fahrzeughaushalt wartet in Schachteln, nur die Wetteraussichten halten uns im Moment noch daheim. Ausserdem gibt es viel zu tun und das Wissen, dass wir (hoffentlich) bald über endlose Reisezeit verfügen können, lockert die Stimmung auf.
Die Sehnsucht nach fernen Ländern ist noch von sehr viel Nachbearbeitungsarbeit von der letzten Reise gedämpft, die wir zuerst bewältigen müssen. Die vier (Manfred) beziehungsweise sieben Wochen (Maya), die wir als Freiwillige in Botswana, dem Land der Elefanten, der politischen Stabilität und der liebenswerten Menschen, gearbeitet haben, waren ein eindrückliches Erlebnis. Von den Wildtieren haben wir (bedingt durch die Regenzeit) nicht viel gesehen, doch die Begegnungen mit den Menschen waren sehr spannend, bereichernd und lehrreich, wenn auch immer wieder zwiespältig. Dass Entwicklungshilfe eines der grössten und schwierigsten Themen überhaupt ist, hat sich für uns bestätigt und wir schauen mit sehr viel Bewunderung auf die Leistungen von SAVE als Organisation, die nach wie vor überzeugt. Bezüglich der Arbeit vor Ort haben sich auch viele Fragezeichen ergeben - genau wie das wohl hier in der Schweiz der Fall wäre, wenn man während einiger Zeit in eine Organisation schaut und die Entwicklung von Projekten beobachtet. Und wer von uns möchte, dass jemand von aussen einem während mehrerer Wochen intensiv auf die Finger schaut? Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, eine oder mehrere unverständliche Sprache (Setswana ist sehr schwierig, hinzu kommen zahlreiche lokale Dialekte), nicht ganz einfache Rahmenbedingungen, erschwert durch Distanzen und Jahreszeit sowie eher unklare Erwartungen und Vorgaben. Mit Feuereifer waren wir schon im Vorfeld mehr oder weniger erfolgreich beschäftigt. Das Programm, das wir vor Ort erlebten, hat uns dann wirklich gefordert. Als Reporter Fotos und Videos aufnehmen beziehungsweise als neutrale, kritische Beobachterin Evaluationen zu den Wirkungen der verschiedenen Projekte, mit denen wir kaum vertraut sind, vorzubereiten und mit den Projektleitenden durchzuführen, ist eine echte Herausforderung.
Wir sind mit dem Land Rover Defender mit Dachzelt unterwegs, erleben lange abenteuerliche Fahrten durch das Okavango Delta mit seinen Wasserbecken und zahllosen knirschenden Holzbrücken, in die heisse Dürre der Makgadikgadi, zum grünen Streifen des Botetiflusses und in den Norden, zur namibischen Grenze, wo der Okavango sich ins verzweigte Delta zu ergiessen beginnt. Wir fahren über Sandpisten, durch Schlammlöcher, über Strassen, die man vor lauter Schlaglöchern kaum mehr so nennen kann und die von Kühen, Ziegen und Eseln bevölkert sind. Wir verbringen viel Zeit im Lion Camp, am südlichen Eingangstor zum Okavango Delta, nahe von Maun, noch unbekanntes, unkartiertes Land mit einer sehr armen Bevölkerung, der es an vielem fehlt, obwohl Botswana ein an Grundlagen reiches Land ist. Der Austausch mit den Mitarbeitenden ist spannend und wir bekommen, was wir wollten - einen Einblick der anderen Art, in das wirkliche Leben der Einheimischen, in einem Gebiet, wo es keine asphaltierten Strassen gibt, wo man in erster Linie zu Fuss geht, auch wenn die Wege kilometerweit sind, wo es ausser kleinsten Shops weder Geschäfte noch medizinische Versorgung gibt, fliessendes Wasser keine Selbstverständlichkeit ist und wo Löwen und Elefanten die Ernte, beziehungsweise die Haustiere fressen, weil sie sich nicht an die Grenzen des Wildtiergebietes halten. Genau diese Konflikte sollen mit geeigneten Instrumenten und Wirkungen reduziert werden.
Wir besuchen Spielgruppen, in denen die Kleinsten auf die Schule vorbereitet werden und über den Umgang mit der Natur lernen, sitzen im Schatten von Wurstbäumen in Besprechungen mit den für die Spielgruppen verantwortlichen Dorfentwicklungskommitees, die den Auftrag an SAVE erteilen, helfen dabei, neue Spielgruppen herzurichten und zu bemalen und besuchen neu angelegte Gärten, in denen Gemüse angebaut wird oder werden soll. Botswana will mehr selber produzieren und weniger aus Südafrika importieren. Wir besuchen Bohrlöcher und Wasserstellen, die für die Wild- (und Nutz)tiere die Möglichkeit schaffen, weit entfernt von Dörfern zu trinken und damit die vorhandene menschliche Infrastruktur schützen. Alles Initativen, die von SAVE Wildlife Conservation Fund Deutschland finanziell und personell unterstützt werden.
Unsere Unterkunft ist während praktisch der gesamten Zeit das geliebte, wenn auch ab und zu ziemlich regenfeuchte Dachzelt auf unserem Landy. Dieser steht oft auf dem wunderschön angelegten kleinen Naturplatz beim Camp des eingezäunten Farmgeländes beim Löwenprojekt in Quqao oder auf dem Campingplatz des Sediahotels in Maun, wo wir die gesamte Infrastruktur nutzen und gutes Essen geniessen können. Es gibt sehr wenige ausländische Touristen (erstens wegen Corona, zweitens bedingt durch die Regenzeit), was uns gefällt aber auch beunruhigt. Ein Wochenende verbringen wir auf der Tshilli Farm, auf der ich als Workawayerin Aufnahme gefunden hätte, wenn ich nicht meinen Fuss verletzt und operiert gehabt hätte. Hier erleben wir, was die fehlenden Gäste für die Tourismusbranche bedeutet: Entlassungen, Leere in der Kasse und im Leben. Harte Zeiten nicht nur für die schwarze, sondern ebenso für die weisse einheimische Bevölkerung.
Einen Tiefpunkt erleben wir, als Manfreds Rucksack nach ungefähr zehn Tagen im Land und einem anstrengenden Ausflug beim Einkaufen in Maul aus dem Auto gestohlen wird. Wir haben unsere Siebensachen kurz umräumen müssen und der Rucksack mit allem Wichtigen liegt ausnahmsweise zuoberst auf unserem Chaos im Kofferraum. Dass die Fenster mit etwas Druck aufgeschoben werden können, war den Dieben wohl längst bewusst, uns aber nicht. Laptop, iPad und externe Harddisk mit der gesicherten Arbeit und vielen Erinnerungen waren genauso darin wie Schlüssel, Pass, Geld und noch viel mehr. Wenn man jedoch weiss, wie wertvoll die Kameraausrüstung ist, hatten wir noch Glück im Unglück... Die Aufregung und der Aufwand zur Wiederbeschaffung waren jedoch gross und nur dank der Unterstützung der benachbarten deutschen Honorarkonsulin war es nicht nötig, nach Gaborone zu reisen, um dort vom Schweizer Botschafter identifiziert zu werden, um den Ersatzpass zu erhalten. So klappte schlussendlich alles wieder bestens und der jeweilige Zeitpunkt der Rückreise passte für uns beide schliesslich prima. Nun gilt es noch, die Abschlussarbeiten fertig zu stellen, Videos und Fotos zu teilen und den Bericht zu besprechen, so dass auch daraus etwas gelernt und verbessert werden kann.
Unser Leben ist und bleibt sehr spannend, unnötig gewürzt von der aktuellen Weltlage und der Pandemie, deren Weiterverlauf alles jederzeit verändern kann. Wir versuchen, unsere Pläne dort anzupassen, wo es uns richtig scheint und dennoch weder die Offenheit noch den Optimismus, dass wir sie realisieren können, zu verlieren. Die Umsetzung unseres letzten Jahres hier nimmt Konturen an: weiter geht es bis in den Herbst mit Reisen, unterbrochen von einem Heimurlaub im Juli und August. Den Spätherbst verbringen wir mit einer Arbeitsphase. Für Manfred und Dartos die letzten Monate auf dem Polizeiposten in Cham , für mich ein letzter Auftrag mit KON-SENS und eine weitere Stellvertretung in Neuheim als schulische Heilpädagogin auf verschiedenen Klassen.
Der Verkauf und die Räumung der Wohnung wird uns genauso in Trab halten wie all die notwendigen Abklärungen über Versicherungsfragen oder das Verschiffen des Bushbabys. So dürfte die Zeit bis zum endgültigen Aufbruch schnell vergehen. Wir freuen uns auf das Abwerfen von Ballst und die grosse Freiheit, der Countdown läuft...
Übrigens: den Bericht und das unseres Freiwilligeneinsatzes für SAVE findest du im Bereich "Freiwilligenarbeit".
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