Wohnen im Busch
Eigentlich sind wir im Rekordtempo unterwegs, erst recht für Südafrika und das (S)Lowveld, das Tiefland. Die Verschreibung des Hauses kann erst über die Bühne gehen, wenn alle Sicherheitskontrollen erledigt sind, wofür Gas, Elektrisch, Feuerlöscher, Blitzableiter und Solarpanels überprüft und auf einen aktuellen Stand gestellt werden müssen, bevor der Verkauf definitiv über die Bühne gehen kann. Die Kosten dafür müssen die bisherigen Eigentümer übernehmen und auch das Einverständnis für die Arbeiten geben. Das haben wir von Beginn weg gewusst. Dass es allerdings eine so einschneidende Sache ist, hätten wir nie vermutet, sondern sind glücklich in unser Feriendomizil eingezogen. Das Abenteuer 'Wohnen im Busch' beginnen wir voller Zuversicht. Die erste grosse Aktion ist, die Backsteinmauer, die den Aussenbereich und das untere Sitzareal abgrenzen, einzureissen. Der Vorschlaghammer tritt in Aktion und bald können wir unsere Umgebung sehen. Der vermeintliche Schutz, für uns eher ein Gefängnis, ist dem Überblick und dem Gefühl von Freiheit gewichen.
Erster Besuch
Wir freuen uns an unseren Bushbabys, beiden Arten, den kleinen und den grossen, die uns hier willkommen heissen und jeden Abend ihre Bananenstückchen holen kommen. Nie hätten wir uns vorstellen können, einmal 'unsere eigenen' wilden Haustierchen zu haben und es ist für uns immer der Höhepunkt des Abends. Überhaupt geniessen wir es hier im Busch sehr, freuen uns über die Antilopen, die uns einen Besuch abstatten, die Giraffen, die neugierig schauen, was hier vorgeht, die Hyänen, die unsere Erstaugustfahne argwöhnisch betrachten und denen gefällt, dass unsere Backsteinmauer weg ist und sie den Braten besser riechen können, die Mangusten die über den Sitzplatz huschen und ihre Nasen in jede Ritze stecken und den Kauz, der uns eines Abends bei unserer Einfahrt mit grossen Augen begrüsst. Auch ersten menschlichen Besuch können wir empfangen, Iris und Stefan, die Randulinas-Overlander, mit denen wir gemütliche und fröhliche Stunden verbringen. Es macht Lust auf mehr Besuch, der sich für den November und den Dezember auch bereits anmeldet hat. Wir sind bereits Teil der Sabie-Park Nachbarschaft, werden eingeladen und erhalten wertvolle Tipps zu Handwerkern sowie Inspiration für den Umbau und freuen uns auch, unser Haus den Nachbarn zu zeigen, wie es hier Kultur zu sein scheint. Wir freuen uns sehr auf unsere nächsten Übernachtungsgäste, erzählen dies auch unseren holländischen Nachbarn, die bereits ein Kinderbettchen und einen Hochstuhl für Laini, - äh, Leonie - unser 'Afrikagrosskind', vorbeibringen!
Abbau statt Aufbau
Die Feuerlöscher sind schnell ergänzt, der Feuerwehrschlauch erneuert, der Gasmann entfernt alle alten Gasleitungen, beziehungsweise, die Wasserleitungen, die dafür verwendet wurden. Weil der Blitzableiter als Mast für die Installationen aller Solarkabel missbraucht wurde, muss dies alles schleunigst, bevor die Gewittersaison beginnt, getrennt werden, was sinnvollerweise mit der Erstellung eines Autounterstandes gekoppelt wird. Dazu muss aber der Bauchef des Sabieparks die Genehmigung erteilen - lkeine so einfache Sache.
Unsere Küche ist nicht mehr nutzbar, sie besteht aus mehr Lücken als Möbeln, da der Kochherd zu gefährlich war und wir die grosse Gas-Kühltruhe nicht behalten wollten. Wir beschliessen, die Küche zu erneuern. Dafür muss auch der Boden geöffnet werden, also legen wir dort neue Fliesen.
Lange warten wir auf die Offerte des Elektrikers, der den grössten Posten hat. Da wir diese nie erhalten und den Tipp für einen neuen, offensichtlich kompetenten und verlässlichen Elektriker erhalten, können wir die Arbeit für den Blitzableiter und das andere Elektrische aufteilen. Wir erfahren von beiden miteinander: alle Kabel müssen raus, sie sind teilweise im Strohdach verlegt, es wurden falsche Kabel verwendet und diese müssen alle herausgerissen werden – aus Wänden, Böden und Dach. Eine Woche Arbeit für das Entfernen, dann erst erfolgt das 'Schliessen aller Wunden', im Sinne eines Flickenteppichs. Die Toiletten wollen wir erneuern, darauf folgt der Entscheid, die Badewannen rauszureissen, was wiederum neue Fliesen erfordert. Wir beschliessen entsprechend, die Böden im ganzen Erdgeschoss zu erneuern und fahren immer wieder einmal nach Hazyview, um Bauteile auszuwählen. Der Küchenbauer überzeugt uns mit seiner Visualisierung unserer Ideen und mit der Offerte, so dass deren Bau innert Kürze erfolgen wird . Auch die Bewilligung für den Autounterstand kommt schliesslich und wir sind glücklich, schnell grosse Fortschritte zu erzielen, damit wir bis zum Urlaub in der Schweiz schon viel erledigen können.
Ein Bauleiter mit einem riesigen Team
Im Sabiepark kennen sich viele der Eigentümer und gute Empfehlungen machen die Runde. So können wir Shadrack engagieren, einen Allrounder, der unseren hohen Takt aufnimmt und kleine Wunder vollbringt. Jeden Tag fährt er um ungefähr zehn Uhr mit seinem Bakkie, dem Pick-up, vor, immer rund zehn Mann auf der Ladefläche. Zuerst muss gefrühstückt werden, dann wird bis rund 16.00 Uhr hart gearbeitet und Shadrack gibt Gas. Der Garten wird mit Erde ergänzt, die eingeschlagenen Mauern zu einem schönen Abschluss geformt, das Grillareal neugestaltet, die verrottete Holzterrasse entfernt, die Platten abgespitzt, Schränke herausgerissen. Mit so einem grossen Team geht’s es zünftig vorwärts, Maschinen oder Lastwagen werden tageweise gemietet – und hier sind sowohl Material wie auch Personalkosten zahlbar: Ein Manntag kostet je nach Qualifikation des Mitarbeiters plus/minus zehn Franken. Wir sind sicher, dass wir damit eine ganze Gemeinde unterstützen, weil einige Männer einen Job haben und etwas verdienen – stecken aber damit auch in den selben Zweifeln, die wohl schon die Kolonialisten geplagt haben dürften: Ausbeutung oder Arbeitsplatzschaffung?
Leere
Nun ist der untere Stock leer und wir haben all unser Hab und gut einmal mehr ausgeräumt und sicher verwahrt. Bushbaby steht für zwei Wochen auf dem Campingplatz von Skukuza. Mit «Lessy», unserem neuen Hilux – er ist handlicher und trinkt wesentlich weniger als das grosse Bushbaby - fahren wir jeden Tag zum Haus, um die gefühlten Million weiterer Entscheidungen zu treffen und die Arbeit zu überwachen. Unser 'Arbeitsweg' bietet sehr viel Spass und Erholung, einmal sehen wir drei der Big Five von der Sabiebrücke, einmal Löwen und einen riesigen Leopardenkater, oft einfach Antilopen, Warzenschweine und die eindrückliche Natur. Es ist dürr, gelbbraun, knochentrocken und heiss, die Bäume haben fast alle die Blätter verloren, doch bei einem Windstoss rieseln noch immer einzelne zu Boden. Der Winter hat sich verabschiedet und der Frühling zeigt sich überall – obwohl dieser hier beinahe übersprungen wird und direkt dem Sommer Platz macht. Bald kommen die Zugvögel zurück, die ersten Ende dieses Monats, wer weiss, vielleicht die Schweizer Mauersegler? Wir haben an einer Vogelexkursion im Sabiepark teilgenommen und uns wie einst im Mai gefühlt, doch hier haben über fünfzig Interessierte teilgenommen und wir kamen nicht weit. Interessant und schön war’s trotzdem.
Der Koordinator
Hinter dem ganzen Bauprojekt steht vor allem Manfred, der Dampf macht und schaut, dass die einzelnen Teile zusammenpassen, wozu auch viel Kommunikation auf allen möglichen Wegen gehört. Wir haben von anderen gehört, dass nichts vorwärts geht, wenn man nicht da ist, und so begleiten wir den Bau gern. Es ist äusserst spannend und wir lernen viel. Ausserdem wird das Haus nun langsam zu unserem eigenen Haus. Kleine Rückschläge gibt es immer mal wieder, aber im Grossen und Ganzen sind wir sehr stolz, dass es so gut klappt und alle im Boot zu sein scheinen.
Eigentümer am Anschlag
Die Kosten sind für die Eigentümerschaft tatsächlich sehr hoch, insbesondere der Elektriker schlägt zu Buche. Hätten sie sich vorher damit befasst, wäre der Kaufpreis wohl höher gewesen oder sie auf die Voranschläge besser gefasst. Unsere Nerven werden auf die Probe gestellt, doch auch diese Hürde werden wir nehmen. Dafür, dass wir ein Haus gekauft haben, dass eigentlich bezugsbereit war, hat die Geschichte doch eine ziemliche Wendung genommen und unser Haus hat einiges an Zeit, Geduld und Geld (die Berg und Talfahrt des Kurses des Rands zu beobachten gehört zur Unterhaltung)' gefordert. Doch wir freuen uns sehr, wenn es bald unseren Träumen entspricht und von Lachen und spannenden Gesprächen mit unserem Besuch widerhallt.
Administration und Versicherungsmarathon
Schon in den allerersten Tagen haben wir auch auf Empfehlung hin mit Heidi, einer Versicherungsfachfrau, Kontakt aufgenommen. Bushbaby, Lessy und 'Bushbabys Nest', das Haus, zu versichern, schien ihr ein einfaches Unterfangen, schlussendlich hat sie aber entnervt aufgegeben. Ein strohgedecktes Haus mit Metallziegeln darauf zu versichern ist im Moment wohl unmöglich – zwei Gesellschaften decken einige Häuser ab, so dass ihr Klumpenrisiko bei einem allfälligen Buschbrand nun zu gross ist, andere lehnen es einfach ab, weil es wegen Glimmbränden unter der Dachoberfläche im Stroh zu gefährlich ist. Wir bleiben dran.
Das Auto kaufen wir mitsamt dem Nummernschild, nicht allzu schwierig, da wir nun eine Adresse haben. Manfred benötigt nur eine Verkehrsregistrierungsnummer, dann sollte alles schnell gehen. Wir gehen auf das entsprechende Amt und werden an die Polizei verwiesen, wo wir die Passkopie beglaubigen müssen. Manfred wartet in einem Raum mit zwei riesigen Waschmaschinen, wird dann in ein verstecktes Büro geführt und von dort zum Empfang begleitet, wo er den Stempel bald erhält. Zurück auf der Amtsstelle erhalten wir plötzlich die Auskunft, dass sie keine Verkehrsregistrierung machen und wir in eine andere Ortschaft fahren müssten. Auch wieder dank einer Empfehlung finden wir einen direkten Weg und erhalten das Papier schliesslich unkompliziert.
Ein neues Buch geht um die Welt
Im Krüger Gate Hotel schickt Tony Park sein neuestes Buch, «The Protector», los. Eine ineressierte Menge lauscht seinem Bericht vom Schmuggel der Schuppentiere, der von Helden des Alltags bekämpft wird. In Wirklichkeit soll in den letzten Jahren eine Million dieser harmlosen und hübschen Tiere illegalerweise wegen ihrer Schuppen und dem Fleisch in den asiatischen Raum vermarktet worden sein, was ihren Bestand drastisch gefährdet. Immer wieder werden, nicht nur im superspannenden Roman sondern im echten Leben Händler ertappt und gefasst, wobei es nicht selten auch zu gefährlichen Situationen und gar Toten kommt. Ihnen ist dieses Buch speziell gewidmet und ich selbst freue mich, dass es gleichzeitig wie die englische Originalfassung auf Deutsch im Handel erhältlich ist – wie immer geht mein kleiner Übersetzeranteil an WildlifeACT zur Unterstützung des Artenschutzes hier in Südafrika. Im Moment haben bei mir das Übersetzen und bei Manfred die Fotografie allerdings wenig Raum, denn wegen der veränderten Rahmenbedingungen ist Zeit knapp geworden. (Falls du am Kauf des Buches interessiert bist, melde dich doch, es würde mich freuen.)
Freude und Vorfreude
Der kreative Prozess, der beim unerwarteten Umbau entstanden ist, macht natürlich viel Spass und wir sind optimistisch, dass alles wunderschön wird. Ein Paradies im Busch darf ja auch seinen Einsatz verlangen und in den letzten fünf Jahren haben wir viel aufgegeben, verschenkt, verkauft und uns auf ein Minimum reduziert, wobei wir ein Maximum gewonnen haben – jedenfalls an Freiheit. Nun binden wir uns wieder ein wenig, haben aber nachher auch ein Feriendaheim für die Zukunft, für uns und für unsere Liebsten, die Familie und Freunde. Der Weg zum Neuen beginnt jetzt erst richtig, es warten bestimmt noch einige Hürden, aber auch diese werden wir überwinden und unser Stückchen Afrika zu einer Herzensheimat machen.
uff - da fühle ich beim Lesen mit euch - Freude und Anstrengung. Und es wird sicher wunderschön 👍