Zwei Wochen stellen wir vier Hände für den Erhalt und Schutz der Geier und ihrer Lebensbedingungen zur Verfügung und geniessen dabei die wunderbare Gegend der Drakensberge. Grosses Engagement, die Zahlung des Projektbetrags, unsere Zeit und viele Gedanken gehen zu Gunsten von WildlifeACT und ihrer Arbeit, dafür bekommen wir viel Abenteuer, Lehrreiches und Abwechslung. Zusammen mit Barbra, der dritten Freiwilligen, erleben wir eine spannende Zeit für, aber leider eher wenig mit Geiern.
Zurück in den Winter
Am Montag treffen wir Phillip, den Projektleiter und Zach, seinen Assistenten vor dem Spar in Unterberg, auf fast 1500 Metern. Zwei Wochen werden wir hier zusammen mit Barbra aus den USA/Ohio/Cincinnati dabei helfen, die gefährdeten Kap- und die stark bedrohten Bartgeier zu unterstützen. Dazu gehören Forschung, Beobachtung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Grossvögel, so dass sie sich stärker vermehren.
Sichere Fütterungsstationen – Bewahrung vor Gift
In der Nähe des Freiwilligenhauses, im von kleinen Stauseen durchsetzten Hügelgebiet, wartet in einem alten Bauwagen ein Versteck auf uns, in dem wir einerseits die Theorie über die Geier vermittelt bekommen, andererseits die Kapgeier beobachten. Bauern deponieren hier ihre verstorbenen Milchkühe aus den riesigen Herden, die hier überall grasen, oder WildlifeACT holt sie direkt ab. Die Kadaver stammen aus Betrieben, die keine Medikamente verabreichen, die die Geier vergiften könnten – etwa Entzündungshemmer, die für diese Aasfresser tödlich sein können. In der hier gelebten Kultur der Zulu werden die Köpfe und Krallen, manchmal auch die Knochen von Geiern für traditionelle Medizin genutzt, oder auch für eher mystische Geschichten: Geier haben eine unglaubliche Sehfähigkeit und können ein totes Tier aus ca. 15 km Entfernung sehen, oder einen anderen Geier, der zu einem solchen fliegt. Also wird ihm nachgesagt, er helfe in die Zukunft sehen und ein Stück von einem Geier unter dem Kopfkissen soll helfen, die Lottozahlen oder sonst etwas Wichtiges vorauszusehen. So werden Geier immer wieder Opfer von Massenvernichtungen, indem tote Kühe mit Rattengift gefüllt werden. Da Geier sich bei einem Kadaver treffen, ergibt das Massensterben, was wiederum die Jungtiere im Nest, die davon abhängig sind, von Elternteilen gewärmt und gefüttert zu werden, oft mitsterben lässt. Natürlich sind auch der Verlust von Lebensraum sowie Elektroschläge von Stromleitungen problematisch und führen zur Verminderung der Populationen. Ziel ist es, möglichst viele Geier an einem sicheren Platz mit gutem Futter zu versorgen, dort hängen sie auch herum.
Leben und Tod
Beim Fütterungsplatz arbeiten wir viel, hart und es ist nicht gerade appetitlich. Die alten, abgefressenen Knochenberge müssen entfernt und neue Kadaver bereitgestellt werden. Während Kapgeier Aas fressen, sind Bartgeier Knochenfresser, doch es gibt hier viel zu wenige, um der vielen Gerippe Herr zu werden und sie bevorzugen kleinere Knochen, etwas von Schweinen. Den Geiern helfen Ibisse, Krähen, Raben und Schakale, die Knochen vom Fleisch zu säubern, doch der gesamten Gesundheitspolizei fehlen die Ohrengeier, die eigentlich die Haut mit ihrem scharfen Schnabel aufreissen sollten. Diese Aufgabe müssen wir übernehmen und das Fell der toten Tiere öffnen, so dass die Kapgeier ans Fleisch gelangen können. Der Kreislauf von Leben und Tod ist hier greif- und riechbar, unter den Tieren sind auch viele kleine Kälber oder Kühe, die das Kalben nicht überleben. Sie kommen wortwörtlich in den Himmel. An diesem Platz wird auch ein Fotoversteck gebaut und wir verlegen neunhundert Meter Schlauch, um das Wasser vom Bach zu einer Badestelle zu leiten, denn die Geier lieben es, nach dem Essen ein Gemeinschaftsbad zu nehmen und zu planschen.
Beobachtung und Datenerhebung
Wir sitzen also stundenlang im Beobachtungsversteck und warten auf die Geier, zählen sie, schreiben auf, welcher Art sie angehören und welcher Altersgruppe. Das selbe versuchen wir mit den Bildern aus den zahlreichen Kameras, die bei Bewegungen auf den toten Kühen ausgelöst werden. Diese Daten werden alle in den Computer getippt und dienen als Forschungsgrundlage. Ausserdem machen wir Beobachtungen am Nest.
Ein Bartgeierpaar hat seit Jahren hoch oben in einem naheliegenden Berg, zu dem wir hinwandern, ein Nest in einer Felsnische. Traumhaft, in dieser grossartigen Berglandschaft und bei angenehmen Frühlingstemperaturen. Wir beobachten, wie ein Elternpaar auf dem Nest sitzt, dann sein Partner anfliegt und innert einem Augenblick der Wechsel erfolgt und das zweite Tier wegfliegt um sich Nahrung zu suchen. Damit können wir nachweisen, dass die Brut bis anhin erfolgreich ist und die Altvögel sich um Ei oder Nestling kümmern.
Sani-Pass und Lesotho
Eines der grössten bestehenden Brutgebiete liegt in den Maloti-Drakensbergen in Lesotho, nicht weit von uns entfernt. Einen Tag verbringen wir dort bei einer anderen sicheren Fütterungsstelle, um Kameradaten zu sichern. Die Landschaft von Lesotho und alles, was wir sehen, fasziniert uns, es ist so komplett anders als im nahen Südafrika. Rundhütten in den Bergen – das Land liegt zwischen 1400 m am tiefsten Punkt und 3900 m beim höchsten Punkt in der Nähe des Sanipasses, dessen rumplige, kurvenreiche Passtrasse wir hinauf und wieder hinunterklettern.
Die Menschen Lesothos hüllen sich in Wolldecken, was wohl Sinn macht, denn der Wind scheint ständig durch die Wipfel und Hochebenen zu pfeifen, ihre Wollmützen lassen nur die Augen frei. Herden von Schafen, Ziegen, mageren, kleinen Kühen, Eseln und Pferden bevölkern die weiten, trockenen Grasflächen und terrassierte Landwirtschaftsflächen werden mit Kuhgespannen bearbeitet. Der grösste Teil der Strassen sind nicht asphaltiert. Wir sind fasziniert und beeindruckt, doch der Tag im Auto wird fast unendlich.
Abstecher in den Busch
Auf einer naheliegenden Farmhängen Kamerafallen, bei den wir Batterien und SD-Karten wechseln und diese Auswerten. In den drei privaten Wildschutzgebieten von Saxonya, Umgeni und Karkloof wurden 28 Kameras zur Erfassung der Wildtiere gestellt, aus deren Fotos auch für einzelne Tiere wie Leoparden und andere Katzen ein Identitätsprofil mit Fotos gemacht werden soll. Das Projekt ist beendet und wir sammeln unter Schweiss die Kameras und ihre Befestigungen ein. Die Pflöcke und Metallstangen aus der steinharten Erde zu lösen ist schwierige und schweisstreibende Arbeit. Es machte Spass, unter den Blicken von neugierigen Giraffen und Antilopen zu arbeiten, vor allem aber die – rund 30'000 Fotos zu sichten und die Spezialtiere auszusortieren. Stacheltiere, Katzen, graue Mangusten, Ameisenbären – grossartig, was man innert kurzer Zeit zu sehen bekommt, obwohl es ganz zwei Monate brauchte, um die Fotos bei Tag und bei Nacht aufzunehmen. Schade, dass das Projekt beendet ist, es war eine tolle Abwechslung, aber auch eine weitere lange Fahrt.
Wirkung erzielen und Arten schützen
Mit WildlifeACT haben wir schon viel erlebt und die Organisation hat uns sehr überzeugt, gern haben wir auch Fotos und den Erlös der übersetzten Bücher zur Verfügung gestellt. Der Erlebniswert hier im Underberg-Geier-Projekt war einmal mehr toll, die Unterkunft im Freiwilligenhaus eigentlich gemütlich – abgesehen vom Loadshedding, den geplanten Stromunterbrüchen, um die knappe Energie besser zu verteilen, die uns das Leben immer schwer machten, wenn wir es am meisten gebraucht hätten, um zu kochen oder zu duschen. Allerdings haben wir nur die drei Nächte im Zimmer mit Doppelbett verbracht, in denen die Temperatur unter Null fiel. Sonst haben wir unser Daheim im Bushbaby, das auf dem Areal stehen darf, bevorzugt.
Die Organisation ist in den letzten Jahren ziemlich gewachsen, was uns schon bei den Vorgesprächen mit Tony Park auffiel. Ob es ihr wirklich zu Gute kam, bezweifeln wir ein wenig, denn vieles scheint wohl komplizierter geworden zu sein, aber nicht besser. Insbesondere die Kommunikation über verschiedene Ebenen lässt zu wünschen übrig, was die Umsetzung jeglicher Planung noch schwieriger macht. Und wie es in der Natur ist – unverhofft kommt oft und Pläne werden immer wieder umgestossen. Leider ist aber auch viel Planbares zu wenig geplant, so dass wir immer wieder das Gefühl haben, unsere Arbeitskraft werde zu wenig gut genutzt oder das Projekt biete überhaupt zu wenig Ansätze, um Freiwillige sinnvoll einzusetzen. Fazit: Spannend, aber nicht sehr befriedigend und nicht unbedingt empfehlenswert, im Gegensatz zu den anderen Projekten von WildlifeACT, in denen wir schon gearbeitet haben. Mit den Geiern hatten wir eigentlich sehr wenig zu tun … Schade!
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