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  • AutorenbildMaya von Dach

Winter am Meer


Walflosse Buckelwal vom Schiff aus

Winter

Obwohl wir bereits oft in Südafrika waren und viel Zeit in KwaZulu-Natal verbrachten, waren wir noch nie im Winter hier und sind sehr neugierig darauf, wie dieser sich anfühlt. Man schwärmte uns vor, an der Küste des indischen Ozeans sei es herrlich warm – und Wärme mögen wir.




Fünf Wochen Meer

Das Meer übte bisher nie die ganz grosse Anziehungskraft auf uns aus. Weder Schwimmen noch Baden noch an der Sonne liegen sind so richtig unser Ding. Deshalb haben wir von unserer früher ja beschränkten Zeit nie besonders viel am Meer verbracht. Nun, da mehr Zeit zur Verfügung steht, bietet sich die Gelegenheit, das auszuprobieren.

Immer wieder haben wir von den (vor allem) Buckelwalen gehört, die zwischen Juli und Dezember zuerst an Südafrikas Ostküste dem indischen Ozean entlang in den Norden ziehen, um in den warmen Buchten von Mosambik und Madagaskar ihre Babys zu gebären, bevor sie zusammen mit diesen wieder in die Gewässer südlich des Kaps wandern. Die faszinierende Walexkursion, die wir vor Jahren in St. Lucia erlebten, ist unvergessen. Ausserdem haben wir Dokumentarfilme über den ›Sardine run‹, den Zug der Sardinen entlang derselben Küste, gesehen. Er zeigt, wie die kleinen Fische in kalten Strömungen nach Norden ziehen, in ihrem Schlepptau die Jäger, Delfine, Haie und Wasservögel wie Tölpel, die sich im Sturzflug auf die Unterwasserjagd begeben und eine Fressorgie geniessen. Dieses Naturschauspiel zu beobachten, war für uns ein langgehegter Traum.



Im Kunst-Haus

Zu unserer Unterkunft kamen wir fast wie die Jungfrau zum Kind. Auf einem einsamen Campingplatz im Mkhuze-Reservat trafen wir Claudia und Res und erzählten ihnen von unserem Plan, einige Wochen am Meer zu verbringen. Spontan boten sie uns an, ihr Haus direkt oberhalb des Meers während ihrer Abwesenheit – sie machen Heimaturlaub in der Schweiz – zu nutzen. Die Wale könne man von der Terrasse aus beobachten ...

Dass es ein Kunst-Haus ist, ein farbiges, fröhliches Daheim und in allen Räumen vom Boden bis zur Decke voller afrikanischer Kunstobjekte, wussten wir genauso wenig, wie dass ein Pool lockt. Ganz zu schweigen von den Terrassen mit und ohne Verglasung, die auf drei Ebenen den Blick aufs Meer in alle Richtungen ermöglichen. Hier ist alles, was man sich wünschen kann vorhanden und viel darüber hinaus.



Stundenlang sitzen wir tagsüber mit Feldstechern oder Spektiv und Kamera bewaffnet draussen und erledigen alles, was vor der Abreise noch auf den Pendenzenberg gehäuft und noch nicht abgebaut wurde. Dazwischen schweifen unsere Blicke suchend über die Weite des Meeres und ab und zu gibt's "Walalarm" gefolgt von Kameraklicken. Welch herrlicher Arbeitsplatz. Wir wandern am Meer, geniessen die Sonne, die Wärme, beobachten Ebbe und Flut, die Wellen, die sturmartig hereinbrechen und dann wieder eine spiegelglatte Oberfläche bilden und all die Farben von Wasser, Himmel und Wolken. Die Sonnenaufgänge direkt vom Bett aus oder von den Terrassen bieten immer wieder ein Spektakel.




Der wirkliche Winter

Kalt ist es nicht in diesem Winter, obwohl er als der kälteste Winter in Südafrika seit Jahren bezeichnet wird und es in Johannesburg und in den Bergen KwaZulu Natals schneit. Dennoch kommen unsere Wollsocken und warmen Jacken immer wieder zum Einsatz. Das Wetter ist oft traumhaft sonnig, mit für Schweizer Verhältnisse sommerlichen Tagestemperaturen, doch genauso oft ist es bedeckt, windig und kühl. Obwohl die Sonne uns jeden Tag rund zwei Minuten länger beglückt, geht sie erst um fast sieben Uhr auf und um fünf Uhr hinter dem Hügel unter. Es sind lange Nächte und die Abende im Haus oft kühl – für die heisseren Tage bestimmt wunderbar. So geniessen wir den Platz, den wir zur Verfügung haben. Im Bushbaby wären diese Wochen kaum gemütlich sondern sehr eng gewesen. Unsere Websites werden aktualisiert – entschuldigt, dass ihr von unserem Blog belästigt wurdet, der endlich in die richtige Reihenfolge gesetzt wurde und deshalb unanständig stürmte. Manfreds Liste der Gesehenen und fotografierten Vögel wird aktualisiert, was bedeutet, Bilder von alten Reisen durchzugehen. Dabei kommen unerwartete Fundstücke zu Tage: Seltene Arten, die wir damals aus Unwissenheit oder Zeitmangel gar nicht registriert und gewürdigt haben. Schön, dass auch an unserem Vogelhäuschen neue Vögel auftauchen – bei über vierhundert Arten gar nicht so einfach! Ich selbst investiere viel Zeit in Übersetzungen und versuche mich im Marketing – allerdings nicht sehr erfolgreich 😉. Immerhin, zwei Daten für Auftritte mit Bildern und Büchern oder Geschichten aus dem Reiseleben stehen in der Agenda.



Walsichtungen und Walfahrten

Immer mal wieder sehen wir von der Terrasse, was wir uns gewünscht haben: Die Atemfontänen von Walen, seltener riesige Spritzer, wenn sie sich aus dem Wasser katapultieren. Ab und zu beobachten wir, wie sie mit der Schwanzflosse vielfach auf die Wasseroberfläche klatschen oder mit der Seitenflosse ›winken‹. Welch grossartige Vorstellung, dass sich nicht weit vom Ufer entfernt hunderte, tausende oder zehntausende dieser phantastischen Meeresgiganten auf einer der grössten Migrationen der Welt befinden.

Nachdem wir uns aus der Ferne ein Bild gemacht haben, buchen wir in Shelly Beach, ein paar Kilometer weiter, eine Bootsfahrt. Kein offizielles Walbeobachtungsschiff, sondern einfach eine Spassfahrt mit einem zwölfplätzigen Gummiboot.


Wir sehen einige Delfine und wenige Wale, von denen uns allerdings nur ein Baby den Wunsch erfüllt, zu springen. Doch schliesslich kommt uns eine kleinen Gruppe von ihnen so nahe, dass der Atem stockt. Sie gleiten durchs Wasser und sind schlicht riesig. Es ist ein kurzes Gastspiel aber einfach berührend. So toll, dass wir in den darauffolgenden Tagen noch zweimal ausfahren und es jedes Mal geniessen und neue Szenen erleben. Im Nachhinein zeigt sich, dass wir fast die einzigen Tage erwischt haben, an denen eine Ausfahrt überhaupt möglich war – an den anderen Tagen waren Wind und Wellengang zu stark. Beim Sardinenzug haben wir weniger Glück, wir können ihn nirgends sehen. Vielleicht ein anderes Jahr, denn bald ist die Saison zu Ende.


Perspektivenwechsel

Mit unserem Aufenthalt werden wir für fünf Wochen von Reisenden zu Hausenden und von Nationalparkbesuchenden, die meistens nicht aussteigen dürfen, zu Meereswanderern. Wir lernen all die kleinen Buchten in der Nähe kennen. Damit erleben wir auch mehr vom eigentlichen Alltagsleben in Südafrika. Das KwaZulu-Natal, das wir hier antreffen, mahnt uns an die Gebiete am Mittelmeer, in Südfrankreich oder Italien. Einkaufszentren, in denen man alles kaufen kann, Restaurants und Cafés, Wanderwege - und trotz Ferienzeit fast menschenleere, endlose Strände. Wir geniessen die vielfältige Speisekarte und den Wein, aber auch das Selberkochen. Für uns ist es purer Luxus, insbesondere, da Auswärtsessen kaum mehr kostet, als Lebensmittel zu kaufen.


Genau dies zeigt aber auch die unzähligen Zwiespälte und Widersprüche auf, die Südafrika und seine Einwohner beschäftigen. Wen immer wir treffen, hören wir klagen. Die Jungen wollen nur weg von Südafrika, nach Europa, Australien, Neuseeland oder in die USA, eigentlich egal wohin, einfach weg. Und mit ihnen geht die Bildung, die dann hier für die Zukunft fehlt. Der Rand, die südafrikanische Währung, entwertet sich immer weiter, die Löhne stagnieren aber die Lebenskosten steigen, Arbeitsplätze sind rar und die Arbeitsmoral nicht immer über alle Zweifel erhaben. Unsere Vermieter hier sind sehr sozial eingestellt und möchten gern Arbeitsstellen schaffen - doch ganz so einfach ist es nicht, gute Leute zu finden. Wir kämpfen zeitweise ein wenig, dass die Haushälterin und der Gärtner pünktlich kommen und ihre Arbeit gut ausführen. Ihr Stundenlohn (über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn), reicht kaum für einen Kaffee.


Die Schere zwischen Arm und Reich ist riesig – weitaus die meisten Millionäre Afrikas leben in Südafrika, aber gleichzeitig ist die Armut gross, Aids grassiert nach wie vor, die Bevölkerungszahlen explodieren, und man hat das Gefühl, es gäbe nur ganz dünne und viele, viel fettleibige Menschen hier, sowohl bei Schwarz wie auch bei Weiss. Kriminalität ist omnipräsent – wir sind hier wie alle mit einer Alarmanlage geschützt, was für uns sehr gewöhnungsbedürftig ist. Ramsgate gilt als zweitsicherste Gemeinde Südafrikas und es beeindruckt schon, im Einkaufsladen und überall schwerbewaffnete Sicherheitsleute stehen zu sehen, die an die Eliteeinheiten der Polizei in der Schweiz erinnern. »Ein Leben ist in Südafrika nicht viel wert», belehrt uns ein älterer Farmer und davon zeugen Zeitungsartikel täglich.

Die Stromeinschränkungen – mehrere Stunden pro Tag/Nacht wird in ganzen Regionen die Elektrizität abgestellt, um zu sparen. Sie treffen alle, aber natürlich können sich die Wohlhabenderen mit Ersatzenergie ausrüsten, was es für die normale Bevölkerung – insbesondere für die ärmeren Schwarzen – im Alltagsleben bedeutet, kann ich mir kaum vorstellen! Wir sind dank Solarpanels im Haus kaum betroffen, "Loadshedding" fällt uns vor allem auf, wenn wir unterwegs sind und keine Ampeln mehr funktionieren, oder abends die Strassenbeleuchtung nicht brennt. Dann wird das Autofahren noch herausfordernder.



Im Hinterland

Immer mal wieder fahren wir ins Hinterland von KwaZulu-Natal, dem Land der Zulu. Tausend grüne Hügel erheben sich hinter der Düne, die das Meer von der Küste abgrenzt und vielerorts dicht bebaut ist. In den Hügeln knapp dahinter gibt es wenige Strassen, viele davon sind Naturstrassen und hier wohnen vor allem die Schwarzen, in weitverstreuten Siedlungen und Familienkraals. Wir sehen kaum Autos, dafür viele Fussgänger, die weite Strecken zu Fuss zurücklegen, die Frauen oft mit grossen Paketen auf dem Kopf. Auch fahren fleissig Minibusse, die dort anhalten, wo die Passagiere dies wünschen. Sie sind das Hauptfortbewegungsmittel der arbeitenden Massen und unter ihnen herrscht Kleinkrieg um die Passagiere, was immer wieder zu Schiessereien mit Toten führt. Wie in den Büchern von Tony Park, die ich bis anhin immer als sehr phantasievoll erachtete habe, mit all den Schiessereien…



Wir besuchen die mit 200 m x 200 m kleinste Wüste der Welt, ein Weltkulturerbe, die nach dem vielen Regen nicht gar so wüstenhaft aussieht sondern blühende Juwelen birgt. An die Schlucht des Flusses Umtamvuna in der Nähe kommen wir nicht heran, beziehungsweise hätten wir dafür eine rechte Wanderung unternehmen müssen, für die die Zeit nicht reicht. Es ist ein spannendes und wunderschönes Gebiet. Zum Höhepunkt wird der Besuch in der "Oribi-Gorge", einem von Schluchten zerfurchten Gebiet, durch das sich (im Moment) sanfte Flüsschen in Millionen von Jahren ihren Weg durch das Gestein gebahnt haben.


In den steilen Felsenklippen unterhalb der Hochebenen brüten die sehr gefährdeten Kapgeier, das Vogelleben ist grossartig und bei einer Nachtfahrt vom Campingplatz durch die Schlucht finden wir die ›Wood owl‹, einen hübschen Kauz und entdecken ein Stacheltier, das sich kletternd in die Büsche versteckt.




Schönheit geniessen

KwaZulu-Natal ist so vielfältig und wunderschön, es hat alles, was einen bezaubern kann – als Tourist. Immer wieder laufen wir an Verkaufsobjekte oder verkürzen lange Abende mit dem Stöbern auf Immobilienseiten, staunen und träumen und kommen dann wieder darauf zurück, dass wir uns ja gar nichts anderes wünschen, als unseren Traum vom Reisen im Bushbaby zu leben und Touristen zu bleiben. So fahren wir in den nächsten Tagen weiter und freuen uns darauf. Vor allem aber warten wir sehnsüchtig auf den Frühling, der sich im Gefieder einiger Vögel bereits ankündigt, das sich sichtbar ins Brutkleid verwandelt.



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